Ungefragtes Feedback: Ein alltägliches Phänomen
Heute beschäftigen wir uns mit einer besonderen Form des Feedbacks: dem ungefragten Feedback. Diese spontanen Kommentare erreichen uns oft unvermittelt und können ebenso unüberlegt an andere weitergegeben werden. Doch welche Auswirkungen haben diese ungefragten Meinungen auf unser Gegenüber? Lassen Sie uns gedanklich in meine Fechthalle eintauchen. Stellen Sie sich vor, Sie nehmen Ihre Ausrüstung zur Hand, setzen Ihre Fechtmaske auf, greifen Ihr Schwert und gehen auf Ihre Fechtpartnerin oder Ihren Fechtpartner zu, ohne vorher zu fragen: „Möchten Sie mit mir einen Freikampf machen?“, und greifen einfach ohne Vorwarnung an …!
Der Effekt von ungefragtem Feedback
Im Fechten lernt man zunächst, einen festen Stand einzunehmen und sich sicher und kontrolliert zu bewegen. Ein unvermittelter Angriff führt dazu, dass sich die angegriffene Person massiv bedrängt fühlt und es nicht zu einem konstruktiven Austausch kommt, sondern zu Konflikten. Genau dies bewirkt auch ungefragtes Feedback: Unser Gegenüber geht in die Abwehr und verschließt sich innerlich.
Das Mandat für Feedback
Wenn wir über Feedback sprechen, müssen wir uns immer fragen: „Haben Sie das Mandat?“ Haben Sie die Zustimmung Ihres Gegenübers, etwas über ihn oder sie zu sagen? Diese Frage ist entscheidend, denn wir haben nicht immer das Mandat. Wir können es uns auch nicht selbst geben, indem wir einfach beschließen: „Ich erlaube mir, dir zu sagen, wie ich dein Outfit finde.“ Das funktioniert nicht. Wir können nur das Mandat erfragen. Es gibt auch Situationen, in denen das Mandat durch die Struktur vorgegeben ist, aber das ist ein eigenes Thema.
Feedback richtig platzieren
Wenn wir den Moment überspringen, in dem wir fragen, ob wir das Mandat haben, stoßen wir bei unserem Gegenüber eher auf Abwehr. Bevor Sie Feedback geben, fragen Sie sich, was Sie damit erreichen wollen. Möchten Sie eine Veränderung anstoßen? Möchten Sie jemanden vor Schaden bewahren? Wenn Sie eine Veränderung anregen möchten, hilft es nicht, wenn Ihr Gegenüber bereits verschlossen ist. Überraschendes Feedback ist hier kontraproduktiv.
Umgang mit ungefragtem Feedback
Wie gehen wir mit ungefragtem Feedback um? Auch hier stellt sich die Frage nach dem Mandat, aber auf eine etwas brisantere Weise. Wenn Sie ungefragtes Feedback erhalten, ist es wie ein Paket, das Ihnen jemand vor die Füße legt. Sie müssen entscheiden, ob Sie dieses Paket annehmen oder nicht. Oft geben wir unbewusst Menschen das Mandat, uns etwas über uns zu sagen, ohne es bewusst entschieden zu haben. Das kann dazu führen, dass uns ungefragte Kommentare noch tagelang beschäftigen.
Die Macht der Entscheidung
Es ist wichtig, bewusst zu entscheiden, ob Sie jemandem das Mandat geben oder nicht. Eine kleine Geschichte dazu: Als ich mich entschied, als Fechtlehrer und Coach selbstständig zu werden, sagte mir jemand: „Wenn du dein Hobby zum Beruf machst, such dir ein neues Hobby.“ Offen gestanden, beeindruckte mich das sehr und machte mich zunächst etwas nachdenklich. Doch zum Glück hielt es mich nicht davon ab, meinen Traum zu verfolgen. Es stellte sich heraus, dass diese Aussage nicht stimmte. Wenn Sie etwas tun, wofür Sie wirklich brennen, brauchen Sie kein neues Hobby – es wird Ihre Leidenschaft und Ihr Leben bestimmen.
Der Ursprung des Feedbacks
Manchmal geht es bei ungefragtem Feedback gar nicht um das, was gesagt wird, sondern um die Geschichte der Person, die das Feedback gibt. Eine Sängerin erzählte mir einmal, dass die Frage „Und davon kannst du leben?“ oft nicht wirklich das finanzielle Überleben hinterfrage. Ihrer Ansicht nach entspringe eine solche Frage vielmehr dem Wunsch, eine Antwort zu hören wie: „Nein, ich hätte meine Leidenschaft nicht zum Beruf machen und mir lieber einen Job wie alle anderen suchen sollen. Es war richtig, dass du nicht den Weg deiner Leidenschaft gegangen bist.“ Ihrer Theorie nach würde dies dem Fragenden die Diskrepanz zwischen dem eigenen Lebensentwurf und dem der oder des Gefragten erleichtern. Ich fand damals wie auch heute diese Erklärung für viele selbst erlebte „Befragungen“ sehr treffend. Dieses Beispiel zeigt, dass ungefragtes Feedback oft mehr über die Feedbackgeberin oder den Feedbackgeber aussagt als über die Empfängerin oder den Empfänger.
Bewusste Entscheidungen treffen
Treffen Sie bewusste Entscheidungen darüber, welches Feedback Sie annehmen und welches Sie ablehnen. Lassen Sie sich nicht unbewusst beeinflussen. Es geht nicht darum, alles, was an Sie herangetragen wird, einfach abzulehnen, sondern darum, bewusst zu entscheiden, ob es zu Ihnen passt und ob es Sie weiterbringt. Wir wünschen uns Anerkennung von unserer Umgebung, und auch wenn zehn Menschen sagen, dass Ihnen Ihr Outfit gefällt, bleibt oft das eine negative Feedback hängen. Deshalb lade ich Sie ein, bewusst hinzusehen, welche Feedbacks Sie annehmen und welche Sie ablehnen.
Zum Schluss möchte ich Ihnen noch ein Feedback geben: Ich finde es großartig, dass Sie mir Ihre Zeit geschenkt haben, dass ich meine Gedanken mit Ihnen teilen durfte, und wünsche Ihnen nun eine gute Zeit bis zum nächsten Mal.
Mehr dazu in meiner Podcast-Folge unten. Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, hinterlassen Sie doch gerne einen Kommentar, und natürlich freue ich mich, wenn Sie meinen Podcast (https://christianbott.de/podcast/) abonnieren.
Ihr Trainer und Coach
Christian Bott
Bild von Harry Strauss auf Pixabay