Heute geht es um das Warten.
Allerdings auf eine Weise, die Sie vielleicht nicht erwarten. Ich möchte mit Ihnen ein Thema teilen, das mir im Fechten immer wieder begegnet und das auch in anderen Lebensbereichen eine tiefere Bedeutung hat.
Warten im Fechten und im Leben
Wenn ich meine Schüler/innen im Fechten auf Wettkämpfe und Freikämpfe vorbereite, sage ich oft: „Bevor du den Kontakt suchst, bevor du auf dein Gegenüber zugehst, solltest du eine Vorstellung davon haben, was auf dich zukommen könnte. Was wird dein Gegner oder deine Gegnerin möglicherweise tun?“ Diese Vorbereitung ist nicht nur im Fechten, sondern auch im Leben entscheidend. Bevor wir in eine Herausforderung oder einen Konflikt eintreten, ist es klug, sich eine grobe Vorstellung davon zu machen, was uns erwartet.
Warten auf Informationen
Das Bedürfnis nach Informationen ist tief in uns verankert. Wenn Ihr Vorgesetzter zum Beispiel sagt: „Kommen Sie bitte heute Nachmittag um 14 Uhr in mein Büro, wir müssen etwas besprechen“, werden Sie wahrscheinlich zustimmen, aber gleichzeitig innerlich fragen: „Worum geht es denn?“ Dieser natürliche Impuls entspringt unserem Wunsch, vorbereitet zu sein und zu wissen, was auf uns zukommt.
Warten im Fechten: Eine weitverbreitete Fehlannahme
Auch im Fechten ist das Warten präsent. Fechterinnen und Fechter stehen voreinander, sie beobachten, forschen einander aus, versuchen zu ergründen, was der andere im Schilde führt. Doch was ich häufig erlebe, ist etwas anderes: Beide nähern sich bis auf eine gewisse kritische Distanz an und dann… warten sie. Sie warten und verwechseln das belauernde Abwarten mit passivem Beobachten. Wenn beide Kontrahenten einfach nur voreinander stehen und sich passiv beobachten, dann passiert mit diesem Kampf – nichts! Wenn Sie in einer Konflikt- oder Herausforderungssituation lediglich abwarten und beobachten, entwickelt sich die Situation nicht – zumindest nicht durch Ihr Zutun.
Kontakt aufnehmen
Im Gespräch tut es gut, miteinander in Kontakt zu kommen, vielleicht etwas Smalltalk zu führen und das Gespräch auf natürliche Weise wachsen zu lassen. Ähnlich wie im Fechten: „Ich gehe mit Ihnen in Kontakt, aber nur so weit, dass ich Ihre Bewegung kennenlerne.“ Im Gespräch möchte ich Ihre Beweggründe verstehen. Doch das geschieht nicht, wenn wir nur stillstehen und abwarten.
Noch nicht bereit?
Häufig höre ich von Menschen, die vor einer Herausforderung stehen: „Ich fühle mich noch nicht bereit.“ Vielleicht benötigen Sie noch Vorbereitungszeit, vielleicht fehlen Ihnen Informationen oder die nötige innere Stärke. Doch wie lange fühlen Sie sich schon nicht bereit? Und wie lange warten Sie schon?
Wenn Sie sich nicht bereit fühlen, lade ich Sie ein, sich zu fragen: Wie lange dauert dieses Gefühl der Unvorbereitetheit schon an? Wie lange warten Sie bereits? Diese Frage ist wichtig, denn nun können wir in die Vergangenheit blicken und uns fragen: „Was hat sich in der Zwischenzeit verändert, während ich gewartet habe? Hat sich die Situation, vor der ich zurückscheue, in den 1, 2, 3, 4, 10, 100 Tagen des Wartens irgendwie verändert?“
Wenn Sie feststellen, dass sich nichts verändert hat, dann befinden Sie sich tatsächlich nur im Wartemodus.
Bewegung ist der Schlüssel
Es ist dann an der Zeit, sich zu bewegen. Sie müssen nicht unüberlegt nach vorne stürmen, doch Bewegung ist unerlässlich. Andernfalls bewegt sich die Situation nicht. Im Freikampf könnte Ihr Gegner jederzeit den ersten Schritt machen. Wenn Sie sagen: „Ich warte lieber“, haben Sie keine Kontrolle über das Timing. Überraschungen, die Sie nicht selbst herbeiführen, erzeugen oft Stress und stellen Sie in eine taktisch ungünstige Lage.
Lebenssituationen und Herausforderungen
Dies gilt nicht nur in Konflikten. Manchmal befinden wir uns in Lebenssituationen, in denen wir Veränderungen anstreben. Es muss nicht immer eine Krise sein. Vielleicht stellen Sie fest, dass es Aspekte in Ihrem Leben gibt, die Ihnen nicht gefallen und die Sie ändern möchten. Was tun Sie dann? Sie müssen nicht gleich radikale Entscheidungen treffen, wie den Job zu kündigen oder eine Beziehung zu beenden. Die Frage ist vielmehr: Was können Sie tun, um Bewegung in die Situation zu bringen? Es geht immer um Bewegung!
Vorsichtiger Vorstoß
Im Fechten könnte das bedeuten, leichte Antäuschmanöver durchzuführen, um die Reaktionen des Gegners zu testen. Im Alltag sind diese „Antäuschmanöver“ natürlich keine Scheinangriffe, aber durch Überlegungen und Gespräche mit Außenstehenden können Sie ausloten, wie die Situation beschaffen ist, der Sie sich gegenübersehen.
Bewegung und Veränderung
Ich lade Sie ein, aus dem Warten in Bewegung zu kommen und, falls nötig, eine Strategie für Ihre Vorbereitung zu entwickeln. Sprechen Sie mit anderen Menschen. Überlegen Sie, was Sie brauchen, um so gut vorbereitet zu sein, dass Sie sagen können: „Ich habe alles getan, was ich tun konnte. Jetzt bleibt nur noch der nächste Schritt.“ Solange Sie sich bewegen, wird sich auch die Situation verändern.
Um aus der Wartezeit in Bewegung zu kommen, lade ich Sie ein, in meine gleichnamige Podcast-Folge zu diesem Thema reinzuhören. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit und viel Erfolg bei Ihren nächsten Schritten!
Ihr Trainer und Coach
Christian Bott
Bild von Rocco Stoppoloni auf Pixabay